Der mit dem Stier tanzt
Bret Carlson ist SAP-Berater für die Business Unit Nord-/Südamerika von GF Piping Systems. In seiner Freizeit fängt er Stiere. Zwischen Beruf und Hobby scheinen Welten zu liegen. Doch es gibt eine Gemeinsamkeit: Bei beiden muss man im entscheidenden Moment schnell und mutig sein.
Ein kaltes Wochenende im Februar 2021: Bret Carlson hantiert mit seinem neuen Lasso – und verliert im Bruchteil einer Sekunde fast seinen rechten Daumen. Der 50-Jährige aus dem US-Bundesstaat Oklahoma sagt von sich selbst, dass er ein „Cowboy durch und durch“ ist. Schon von Kindesbeinen an sitzt er im Sattel und fängt Stiere mit einem Lasso ein.
Zur Person
Name: Bret Carlson
Position: SAP-Berater
Division: GF Piping Systems
Standort: Shawnee (USA)
Bei GF seit: 2011
Mittlerweile betreibt er dies als Sport: „Team-Roping“ hat Bret bereits viele unvergessliche Erinnerungen und beträchtliche Preisgelder eingebracht. Doch an besagtem Tag im Februar 2021 stimmte etwas nicht. In einem Internetvideo ist zu sehen, wie Bret und sein Partner auf ihren Pferden hinter einem 200 Kilogramm schweren, pechschwarzen Stier herjagen. Mit einem Cowboy-Hut auf dem Kopf und einem roten, im Wind flatternden Flanellhemd galoppiert Bret mit seinem Pferd durch ein Eisentor und hinter dem Stier her. Er schwingt sein brandneues Lasso – das ihm ein wenig zu leicht durch die Finger gleitet.
Beim Team-Roping dauert eine Runde normalerweise weniger als eine Minute. Zwei Reiter müssen einen Stier so schnell wie möglich mit einem Lasso, im Fachjargon „Rope“ genannt, einfangen und bewegungsunfähig machen. An diesem Tag führt Bret das Zweierteam an: Er muss das Lasso um die Hörner des Stiers werfen und das andere Ende um sein Sattelhorn wickeln, während sein Partner die Hinterläufe des Stiers fängt. Doch dieses Mal geht etwas schief.
Eine brenzlige Situation
Zunächst läuft alles gut, Bret wirft das Lasso in Rekordzeit um die Hörner des Tiers. Als er versucht, den Stier zu sichern, kreuzt das Tier Brets Weg, wodurch das Lasso an Spannung verliert. Bret lenkt sein Pferd nach links, um das Lasso wieder zu straffen. Plötzlich lässt er alles los. Der Stier prescht davon, die Runde ist verloren. „In meiner sportlichen Laufbahn war dies die brenzligste Situation, in der ich mich je befand“, erklärt Bret. „Als sich das Lasso anspannte, bemerkte ich, dass es um meinen Daumen gewickelt war – deshalb liess ich es sofort los. Ansonsten hätte es mir meinen Daumen abgetrennt.“ Als er das erzählt, klingt er keineswegs beunruhigt. Es ist offensichtlich, dass die Gefahr für ihn Teil des Vergnügens ist.
Meter misst üblicherweise das Seil des ersten Reiters („Header“). Das Seil des zweiten Reiters („Heeler“) ist ca. 10,6 Meter lang und wesentlich starrer, da damit die Hinterläufe des Stiers gefangen werden.
Sekunden braucht ein professionelles Roping-Team im Schnitt, um einen Stier zu fangen.
Bret betont aber, dass dieser Aspekt für ihn nicht den grössten Reiz an der Sportart ausmache: „Ich mag die Wettbewerbsatmosphäre und das Kameradschaftsgefühl. Nur wenn man eine gute Bindung zu seinem Pferd hat und seinem Roping-Partner vertraut, kann man als Team erfolgreich sein.“ Aspekte, die auch in seinem Beruf als SAP-Berater für die Business Unit Nord-/Südamerika von GF Piping Systems eine Rolle spielen. Wenn Bret nicht gerade Stieren in einer sandigen Arena hinterherjagt, kümmert er sich um das automatisierte Bestell- und Abrechnungssystem und, wie er selbst sagt, um „alles, was in und um SAP herum passiert“. Normalerweise pendelt Bret täglich zum GF Standort in Shawnee (USA), der rund 40 Kilometer von seinem Wohnort entfernt ist. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 arbeitet er aber die meiste Zeit im Homeoffice – und geniesst es: „Ich kann sehr produktiv arbeiten und spare mir täglich 1,5 Stunden Pendlerei.“
Teamgeist und Cowboy-Lifestyle
Bret reizen die immer neuen Herausforderungen in seinem Job: „Ich liebe es, Puzzleteile zusammenzusetzen.“ Ein perfektes Beispiel dafür ist die Softwarelösung, die er entwickelt hat, damit die Mitarbeitenden ihre Daten schneller eingeben können. Dank Brets Lösung sparen seine Kolleginnen und Kollegen nun einiges an Zeit.
Auffallend ist, dass Bret über seine Software mit derselben Begeisterung spricht wie über seine Erfolge im Team-Roping. Zum Beispiel, dass er 2019 bei seinem ersten Turnier mit seinem neuen Roping-Partner Travis 12’600 US-Dollar gewann. „Das war ein grandioser Start für uns als Team. Daraufhin beschlossen wir, zusammen weiterzumachen“, erzählt er.
Wie man Rinder mit einem Lasso einfängt, das wusste Bret (r.) schon im Kindesalter. Von seinem Vater, einem Veterinär, lernte er viel über die Tiere.
Bret wuchs auf einer Farm auf. Schon als Kind zeigte ihm sein Vater, der Tierarzt war, wie man sich um Pferde kümmert und Rinder mit dem Lasso einfängt. Obwohl Bret in seiner Kindheit täglich mit Roping zu tun hatte, begann er erst knapp 25 Jahre später damit, es als Wettkampfsport zu betreiben. Vorher war er zu beschäftigt damit, sich um seine Karriere und seine Familie zu kümmern. Erst jetzt, da nur noch eines seiner Kinder zu Hause wohnt, kann er seine Freizeit seinen Pferden, dem Training und den Turnieren widmen – dem „Cowboy-Lifestyle“, wie er sagt.
Alle Variablen im Blick
Und „Lifestyle“ ist wahrlich der richtige Begriff: An einem typischen Tag steht Bret auf, versorgt die drei Pferde, die ihm und seiner Frau Lynne gehören, arbeitet acht Stunden und widmet sich nach Feierabend dann wieder den Tieren. Abends unter der Woche nimmt er des Öfteren an lokalen Turnieren teil oder trifft sich mit seinem Roping-Partner, um zu trainieren. Glücklicherweise teilt seine Frau seine Leidenschaft für Pferde und begleitet ihn überallhin.
„Ich mag die Wettbewerbsatmosphäre und das Kameradschaftsgefühl.“
Bret Carlson, SAP-Berater bei GF Piping Systems
Auch wenn Roping und Programmieren auf den ersten Blick zwei völlig verschiedene Dinge zu sein scheinen, stellt man bei näherer Betrachtung fest, dass es doch einige Ähnlichkeiten gibt. In Roping-Wettbewerben kommt es auf Sekundenbruchteile an. Um im entscheidenden Moment Leistung zu bringen, muss einfach alles stimmen: „Man braucht die richtigen Fähigkeiten, das richtige Pferd und den richtigen Partner.“
Bret ist überzeugt, dass sein Werdegang im IT-Bereich ihn gut auf diesen Sport vorbereitet hat. Im Beruf hat er gelernt, stets alle Variablen zu berücksichtigen und sich im entscheidenden Augenblick auf die wirklich wichtigen zu konzentrieren. Diese Fähigkeit ist ihm schon oft in seinem Job bei GF Piping Systems in Shawnee zugutegekommen, wenn er Softwareprobleme zu lösen hatte. Es gibt dort ein gesichertes Lagersystem mit 21 Schränken. Darin werden Arbeitsmaterialien für die Mitarbeitenden in der Produktion aufbewahrt, zum Beispiel Sicherheitsbrillen, Handschuhe und Bohrer. Die Mitarbeitenden scannen ihre Ausweise, um die Schränke zu öffnen und die von ihnen entnommenen Produkte zu erfassen. Auf diese Weise erkennt das System automatisch, welche Artikel nachbestellt werden müssen. Eine Lösung, die praktisch für die Mitarbeitenden ist – aber auch anfällig für Fehler.
„Wenn jemand die Entnahme eines Artikels nicht richtig erfasst oder in der Hektik als Menge null einträgt, funktioniert das System nicht mehr richtig und ich muss es schnell wieder zum Laufen bringen“, erklärt Bret. Da er das System in- und auswendig kennt und viel aus früheren Problemen gelernt hat, kann er mittlerweile schnell die Ursachen von Fehlfunktionen aufspüren und das System wieder in Gang bringen.
Eine neue Erfolgsstrategie
In Sachen Roping war 2020 für Bret ein hartes Jahr. „Ich habe nur noch selten gewonnen, was mich auf die Dauer entmutigt hat“, erinnert er sich. Also tat er das, was er am besten kann: „Ich setzte mich mit meiner Frau hin und wir analysierten alle Variablen. Wir nutzten sogar eine Tabelle, um uns einen Überblick zu verschaffen, etwa über unsere Startgelder und Siege“, erzählt er schmunzelnd. Gemeinsam überlegten sie sich eine neue Strategie: Bret würde nicht mehr so häufig an Wettbewerben teilnehmen, sondern nur noch an grösseren Turnieren. Zudem würde er sich vor allem mit den Partnern zusammentun, mit denen er bisher am erfolgreichsten war. Der Plan ging auf: „In diesem Jahr habe ich endlich wieder gewonnen.“
Rückblickend auf die vergangenen fünf Jahre, die er dem Team-Roping gewidmet hat, erklärt Bret: „Der grösste Erfolg für mich war, dass es mir gelungen ist, meine sportliche Pechsträhne mental zu bewältigen.“ Gelungen ist ihm dies vor allem dank der Unterstützung seiner Frau – und dank des Rückhalts durch seine Roping-Kollegen: „Sie glauben an mich, und wir teilen unsere Erlebnisse und Erfahrungen – das motiviert uns, weiterzumachen.“
Das gilt zweifelsohne auch für Brets Kolleginnen und Kollegen bei GF: Die gute Beziehung zu seinen Teamkollegen in aller Welt habe ihn in den vergangenen zehn Jahren im Unternehmen gehalten. Bret ist sich sicher, dass noch viele weitere folgen werden.
Zahlen und Fakten
- 1982 begann Bret im Alter von 12 Jahren mit dem Roping
- Eigene Pferde: 3 (Shank, Skeeter und Hollywood)
- Gemeinsame Zeit: Bis zu 7 Stunden an einem Turniertag verbringt Bret mit seinen Pferden.
- Bedeutendstes Sportereignis von Bret: Roping in der AT&T-Arena, dem Stadion des Football-Teams Dallas Cowboys, am 3. März 2019
Eliminator: Ein Stier, der nahezu unmöglich einzufangen ist.
Corriente: Aus Mexiko stammende Rinderrasse, die besonders gut für Team Roping geeignet ist.
In den 1800er-Jahren sind die Ursprünge von Team Roping zu finden: auf Ranches im Westen der USA wurden so verletzte Tiere von der Herde getrennt.